Yvonne und Karim_klein

Was hatte Amelie gesagt? Sie wechsle gerne den Arbeitsplatz im Hub. Aber auf der Galerie, nein, das käme für sie gar nicht infrage. Zu abgeschieden.

Erstaunlicherweise hat es mich in all den Monaten auch nur ein einziges Mal dorthin verschlagen – weil ich jemanden suchte. Aber jetzt ist Sommer. Und es ist heiß. Sehr heiß. Unser kleiner Glaskubus heizt sich auf wie eine Sauna. Ein Fenster gibt es nicht. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit ergreifen und die Perspektive  wechseln. Womöglich ist es oben auf der Galerie ein bisschen angenehmer.

Und in der Tat, klimatisch lässt es sich deutlich besser aushalten. Im Winter ist es hier oben sicher auch schön warm, mit den Heizungsrohren direkt über dem Kopf. Zu fernab? Finde ich nicht. Es ist ruhig, trotzdem habe ich von hier aus alles im Blick. Die Hubber unten in der Halle, vor ihren Laptops. Das Kommen und Gehen. Und ich  sehe etliche Member, die mir bislang noch nie aufgefallen sind. Hier oben scheint es feste Stammplätze zu geben. Die beiden riesigen Monitore da hinten werden mit Sicherheit nicht jeden Abend weggeräumt.

Hier oben treffe ich auch Yvonne und Karim, die wahrscheinlich gerade wieder an einer Strategie für ihr Unternehmen Hawa Dawa tüfteln. Sie sitzen immer an demselben Tisch, das habe ich schon mitgekriegt. „Ich finde den Platz ideal, man kann alles sehen, ohne von jedem gesehen zu werde. Hier oben kann ich konzentriert arbeiten, das ist unten anders“, sagt Yvonne. Zumindest ein bisschen Privatsphäre ist ihr wichtig. „Ich fänd es nicht so gut, wenn jeder direkt auf meinen Bildschirm schauen könnte.“

Auf dem Tisch vor ihnen steht ein Kasten. Der Sensor misst die Qualität von Luft und lässt sich problemlos überall anbringen. Da ich für das Goethe-Institut über das Thema Entrepreneurship als Studienfach geschrieben habe und darüber ins Gespräch mit den beiden Gründern kam, weiß ich sogar was das kleine Ding alles kann: Die Daten werden auf einer Plattform zusammengeführt und bilden auf einer Karte mit vielen kleinen roten Punkten ab, wo und zu welchen Uhrzeiten die Luft besonders belastet ist. Karim kam als Fellow ins Coworking Space an der Gotzinger Straße, er wurde über das Eight Billion Lives – Programm gefördert. Den Prototypen hat er als BWL-Student an der Technischen Universität München entwickelt,  jetzt ist er auf der Suche nach Investoren. Seine Frau Yvonne kümmert sich um das Marketing.

Vom ersten Tag an arbeitete Karim auf der Galerie, die -so erfahre ich heute by the way – den Full-Membern vorbehalten ist. Ich dürfte also eigentlich gar nicht hier sein… Da das Impact Hub eine clean desk policy pflegt, kann sich jedes voll zahlende Mitglied grundsätzlich am Morgen hinsetzen, wo grad Platz ist. Gäbe es da nicht gewissermaßen ungeschriebene Regeln. „Ich bin ein Gewohnheitsmensch, ein fester Platz ist für mich wichtig, die meisten hier haben ihre festen Stammplätze“, erzählt Yvonne. „Aber manchmal kommen natürlich New Member und setzen sich an unseren Tisch. Sie wissen es ja nicht, aber ich merke selbst, wie sehr mich das nervt. Es fällt mir dann schon schwer, mich richtig zu konzentrieren.“

Interessant. Das freie Arbeiten scheint also seine Grenzen zu haben. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn ich schätze unser Büro als festen Anlaufpunkt. Nach und nach habe ich mir hier sogar eine immerhin minimale Infrastruktur aufgebaut: Eine Auswahl an Stiften, Post-its und Pausensnacks sollte idealerweise immer greifbar sein. Aber so wie ich an diesem Nachmittag einfach mal die Etage wechsle, sucht auch Yvonne von Zeit zu Zeit die Abwechslung. „Wenn ich nur für ein paar Stunden da bin, setze ich mich manchmal auch mit meinem Laptop unten irgendwo hin, letzte Woche zum Beispiel. Das war total schön, ich bin mit vielen ins Gespräch gekommen. Eigentlich müsste ich das viel öfter machen! Aber es lenkt eben auch ab.“

Perspektivenwechsel